Leipziger Volkszeitung vom 19. April 2006

"Hermanni schlägt zurück"

Ex-bfb-Chef rechnet mit hoher Entschädigung und nimmt Staatsanwaltschaft aufs Korn

Leipzig. „So einfach darf das für die nicht abgehen“, sagt Matthias von Hermanni und senkt nachdenklich den Kopf. Aber dann lacht der ehemalige Chef des abgewickelten Leipziger Betriebs für Beschäftigungsförderung (bfb) und schreitet ganz in Gutsherrenmanier über den Hof – groß, kräftig, in hellem Hemd und Weste, als sei die Zeit stehen geblieben.
Er hat nach Hohenroda, seinem Wohnsitz, geladen, um den bfb-Fall aus seiner Sicht zu beleuchten, „der Öffentlichkeit die rechtswidrigen Handlungen der Staatsanwaltschaft Leipzig nahe zu bringen“. Durch seine Kriminalisierung, in dessen Folge der Betrieb zerschlagen wurde, seien 60 Millionen Euro Anlagevermögen untergegangen und 8000 Arbeitsplätze – so viele ABM-Kräfte und Sozialhilfeempfänger hatte der bfb in seinen Hochzeiten Ende der 90er Jahre – zerstört worden.
Aber auch er selbst hat viel einstecken müssen. Hinter ihm liegt der längste Prozess in Sachsens Justizgeschichte. Vor wenigen Tagen siegte Hermanni, der 1999 in Untersuchungshaft kam und seit September 2005 wieder als Leitender Verwaltungsdirektor bei der Stadt Leipzig arbeitet, auch im letzten Beschwerdeverfahren der Staatsanwaltschaft. Er muss sich nicht an den Gerichtskosten beteiligen. Hermanni stehe die volle Entschädigung zu, entschied das Oberlandesgericht Dresden. Das könnten samt Schmerzensgeld und Anwaltskosten über 200 000 Euro werden.
Alle Strafanzeigen gegen die Staatsanwaltschaft hatten indes keinen Erfolg. „Die sind sogar alle befördert worden“, meint er und blickt plötzlich ganz ernst. Ja, er glaube, der Prozess habe einen politischen Hintergrund. „Der bfb und sein Erfolg haben gestört“, sagt er und das klingt wie ein Peitschenhieb. Beweisen könne er das aber noch nicht. Doch er werde weiter daran arbeiten. Die Stadt Leipzig schulde ihm auch noch 120 000 Euro, da sie sechs Jahre lang nur 70 Prozent seines Gehaltes gezahlt habe.
Er werde wie Phönix aus der Asche aufsteigen, hatte der Ex-bfb-Chef während des Gerichtsmarathons gebetsmühlenartig gesagt. Jetzt sei dies so gut wie eingetreten. Hermanni spricht nun von Generalabrechnung. Dabei geht es nicht nur um Geld, sondern auch um Revanche. Wenn die hohen Summen fällig werden, so seine Rechnung, werde man in den Behörden aufhorchen und nachfragen, wer daran schuld sei. Dann müssten Köpfe rollen. Um das zu erreichen, ist er offenbar gut gerüstet. „Meine Forderungen an die Stadt Leipzig habe ich im September angemeldet“, erzählt er und unter- drückt ein Lächeln. „Seither habe ich keinen Cent gesehen und keine Antwort erhalten.“ Was er als Nächstes tun will, verrät er nicht. „Sie können aber davon ausgehen, dass ich nicht weiter tatenlos abwarte.“
Was Hermanni seinen Gegnern vorwirft, ist Stoff für einen Gerichtsroman. Gefälschtes Beweismaterial, auf dem sich die Anklage aufbaute. Hausdurchsuchung mit 70 Beamten des Landeskriminalamtes. Verschwundene Ordner zu seinem privaten Hausbau, die ihn von Anbeginn hätten entlasten können. U-Haft. Kaution in utopischer Höhe von anfangs 800 000 D-Mark, später 250 000 D-Mark. Er spricht von Freiheitsberaubung, Ermittlungen ohne Anfangsverdacht, Zeugenbeeinflussung…
Ohne fremde Hilfe und 140 000 eigene Euro für seine Rechtsanwälte würde er jetzt hinter Gittern sitzen. Juristisch habe er gesiegt und damit auch ein Stück Glauben an den Rechtsstaat zurückerworben. Jetzt müssen nur noch seine Gegner ihre Strafe erhalten. Ehe das nicht erreicht ist, will er keine Ruhe geben.

 Andreas Dunte