Bild - Leipzig vom 4. August 2005

6 Jahre unschuldig AM PRANGER

Leipzig - Jetzt ist er endgültig aus dem Schneider!
Über sechs Jahre machte die Staatsanwaltschaft Matthias von Hermanni (51) den Prozeß. In unzähligen Ordnern warfen die Ermittler dem Chef des inzwischen abgewickelten Betriebes für Beschäftigungsfrderung (bfb) vor, in 74 Fällen über 1,9 Millionen Mark veruntreut zu haben.

Hermanni mußte Ende '99 sogar für 22 Tage in U-Haft, kam erst gegen 250 000 Mark Kaution auf freien Fuß...

Nach über 2200 Tagen schloß das Landgericht Chemnitz gestern die letze Akte im spektakulären Fall - und erteilte der Staatsanwaltschaft damit eine schallende Ohrfeige!

"Die 4. Straftkammer des Landgerichts Chemnitz hat das Verfahren gegen Matthias von Hermanni eingestellt. Gleichzeitig wurden die Kosten des Verfahrens der Staatskasse auferlegt. Darüber hinaus wurde dem Angeklagten für die erlittene Untersuchungshaft und die Schäden, die durch die Hausdurchsuchung entstanden sind, Entschädigung bewilligt."

Von den von der Staatsanwaltschaft vermuteten 1,9 Millionen Mark Schaden konnten die Richter letztlich nur noch 120,06 Mark als "nachweisbar" ansehen. Ihr Urteil: "Damit ist die Schuld des Angeklagten als gering zu bewerten, so daß ein öffentliches Verfolgungsinteresse nicht besteht."

"Ich bin sehr zufrieden", freute sich Hermanni über die lang herbeigesehnte Entscheidung. "Damit gehen für mich sechs lange, harte Jahre zu Ende. Und ich freue mich schon wieder auf die Ausübung meiner Arbeit."

Denn nachdem der bfb, bei dem Hermanni zu besten Zeiten 9000 Menschen Arbeit gab, von der Stadt abgewickelt wurde, muß Oberbürgermeister Tiefensee (50, SPD) nun einen neuen Job für seinen ranghöchsten Beamten auf Lebenszeit (leitender Verwaltungdirektor) finden!

Und ihm sein entgangenes Gehalt (Hermanni bekam 70 Prozent seiner Bezüge weitergezahlt) für die letzten sechs Jahre nachzahlen - über 150 000 Euro inkl. Entschädigung! "Bis jetzt hat sich aber noch niemand von der Stadt bei mir gemeldet", sagt Hermanni.

Doch ignorieren können sie ihn jetzt nicht mehr. Am Pranger war der "König der kleinen Leute" lange genug...

Von WILLEM A. TELL