Leipziger Volkszeitung vom 27. Januar 2005

Spannung im Fall Hermanni

Leipzig. Die Szenen ähneln sich: Wie schon zum Prozessauftakt Anfang Oktober 2001 am Landgericht ist auch gestern das Medieninteresse überaus groß. Unter Blitzlichtgewitter betritt Matthias von Hermanni den Verhandlungsraum des Bundesgerichtshofes (BGH) in Leipzig. Auf der Tagesordnung des 5. Strafsenats steht die Revisionsverhandlung im Fall gegen den ehemaligen Chef des mittlerweile abgewickelten Leipziger Betriebs für Beschäftigungsförderung (bfb), der einst größten Beschäftigungsgesellschaft Deutschlands. Das Landgericht hatte den städtischen Manager zu einer Bewährungsstrafe von eineinhalb Jahren und einer Geldbuße in Höhe von 40.000 Euro verurteilt.

Ruhig und scheinbar abgeklärt verfolgt der früher oft aufbrausende Hermanni die Verhandlung. Nur am Ende hat er seine Emotionen noch schwer im Griff. Was Wunder, liegen doch zwischen seiner Verhaftung im November 1999 und der Revisionsverhandlung über fünf Jahre. Das zerrt an den Nerven. Und es gibt noch einen weiteren Grund für den Gefühlsausbruch.

Prozessbeobachter rechneten im Vorfeld der Verhandlung mit drei Möglichkeiten. Erstens: Ablehnen der Revisionsanträge von Staatsanwalt und Verteidigung. Zweitens: Freispruch. Drittens: Zurückverweisen des Falls an das Landgericht, das dann die sieben Punkte neu verhandelt, in denen die Richter den einstigen bfb-Chef der Untreue für schuldig befunden und im Dezember 2002 verurteilt hatten.

Doch Fehlanzeige. Hermannis Anwalt Bernd Müssig (Bonn) fährt schwere Geschütze gegen Staatsanwalt Thomas Gast auf. Dieser war während der damaligen Verhandlung in den Zeugenstand gerufen worden, weil er einem mitangeklagten Geschäftsmann aus Hannover nach dessen Worten Strafverschonung versprochen hatte, wenn er den bfb-Chef im Gegenzug belastet. Hermanni war vorgeworfen worden, von diesem Geschäftsmann Baumaschinen überteuert gemietet zu haben. Im Gegenzug habe der Hannoveraner unentgeltlich an Hermannis Privathaus mitgebaut.
Nach Ansicht des Revisionsanwalts hätte der damalige Staatsanwalt in seinem Plädoyer die eigenen Aussagen, die er als Zeuge vor Gericht gemacht hatte, nicht würdigen dürfen. "Die rechtsstaatliche Objektivität des Staatsanwalts ist nicht gewahrt worden", kritisiert Müssig. Ausführungen, die bei den BGH-Richtern aufmerksam verfolgt werden.
Und der Anwalt macht gleich eine weitere rechtliche Baustelle auf. "Wenn Untreue und Bestechlichkeit, wegen deren Hermanni angeklagt war, als eine untrennbare Einheit betrachtet werden", dann könne es nicht auf der einen Seite (Bestechlichkeit) zu einem Freispruch kommen, auf der anderen (Untreue) aber zur Verurteilung. Genau so hatten die Richter aber geurteilt.

Folglich beantragt Müssig - auch wegen zahlreicher anderer Män-gel unter anderem in der Beweis-würdigung -, der Revision stattzugeben, das Urteil aufzuheben und den Fall an das Landgericht zurückzuverweisen.
Nach kurzer Beratung sagt der Vorsitzende Senatsrichter Clemens Basdorf etwas, das beim BGH Seltenheitswert hat: Er wolle ausdrücklich darauf aufmerksam machen, dass es zu einer Neuverhandlung kommen könnte. Der Hinweis, dass dann möglicherweise auch eine härtere Strafe drohe, hält Hermanni nicht davon ab, das Wort zu ergreifen. Er habe keine Angst vor einer erneuten Verhandlung. "Unschuld beweisen", "fragliche Gutachter", "falsch bewertete Zeugenaussagen" sind nur einige der Worte, die aus dem gewichtigen Mann poltern. Mit 57 Verhandlungstagen zählt sein Prozess, der sich über 14 Monate zog, zu den längsten in der neuen Geschichte Sachsens. "Von Anbeginn", formuliert er dann eindringlich, "ist der Anklage klar gewesen, dass sie diesen Prozess mit gefälschten Dokumenten führt". Er wolle "vollständigen Freispruch" und sehe sich dem jetzt sehr nahe, sagt der 51-Jährige, der noch 70 Prozent seiner früheren Bezüge von der Stadt Leipzig erhält.

Wie erwartet, lehnt die Bundesanwaltschaft einen neuen Prozess ab. Er sehe keine Fehler im Urteil des Landgerichts und beantrage daher, die Revisionsanträge sowohl der Verteidigung als auch der Staatsanwaltschaft zurückzuweisen, sagt Bundesanwalt Michael von Hagen.

Am kommenden Donnerstag will der 5. Strafsenat nun sein Urteil verkünden.

Andreas Dunte