Leipziger Volkszeitung vom 18. Dezember 2002

Hermanni rechnet mit Freispruch


Leipzig. "Lebensfremd", "handelt nicht fahrlässig, sondern vorsätzlich", "hat den Richter reingelegt", "vernebelt und verdunkelt". Im Prozess gegen den ehemaligen Chef des Leipziger Betriebs für Beschäftigungsförderung (bfb) musste sich gestern all diese Vorwürfe nicht etwa der angeklagte Matthias von Hermanni anhören. Nein, es schien, als wollte der 48-Jährige seinem Ankläger - Staatsanwalt Thomas Gast - den Prozess machen. In seinem nahezu dreistündigem Schlusswort ließ der Ex-bfb-Chef kein gutes Haar an dem Juristen, der wegen eines "unaufschiebbaren Termins" der Verhandlung ferngeblieben war.


Hermanni zeigte sich gereizt, weil ihn der Staatsanwalt als korrupten Beamten vorgeführt und vier Jahre Haft gefordert hatte.


Ausführlich legte der Angeklagte dar, wie er 1992 von Hannover nach Leipzig wechselte, seine 500-Quadratmeter-Wohnung aufgab, um samt Familie vorübergehend in einen Wohncontainer zu ziehen. Wie er den ABM-Stützpunkt in der Messestadt aufbaute, "um erwerbslose Menschen zu beschäftigten". Wie er in der Woche 70 bis 80 Stunden arbeitete. Und endete immer wieder mit der rhetorischen Frage:"Sieht so ein korrupter Beamter aus?"


Insbesondere ging er auf die Arbeit des ABM-Stützpunktes und späteren bfb für die Stadt bei der Schaffung von Gewerbeflächen ein. Hier soll Hermanni von einem befreundeten Unternehmer Baumaschinen zu überhöhten Preisen angemietet und mit ihm gemeinsame Sache gemacht haben. Bis ins Detail schilderte er, dass die Maschinen preiswert gekauft worden seien und ihr Einsatz der Stadt viel Geld gebracht hätte. Über Anmietung und Kauf habe es Einvernehmen mit der Stadtverwaltung gegeben.


All das sei der Staatsanwaltschaft "vom ersten Tag an" bekannt gewesen, so Hermanni. Dennoch habe sie ihre "aberwitzigen Theorien" weiterverfolgt, in der Hoffnung, "bei einem korrupten Beamten wie mir wird sich schon etwas finden". Seit seiner Verhaftung 1999 bis heute seien Kosten für Anwalt und eigene Ermittlungen in Höhe von rund 100.000 Euro entstanden. Für kommenden Freitag wird das Urteil erwartet. Hermanni rechnet mit Freispruch.


Andreas Dunte