Leipziger Volkszeitung vom 06. April 2002


Hermanni will "Kopf des Staatsanwalts"

Ex-bfb-Chef spricht von politischem Verfahren / Anklagebehörde weist Vorwurf als unsachlich zurück


Leipzig. "Das rechtswidrige Verhalten der Staatsanwaltschaft Leipzig chronologisch in Stichworten." So überschrieben hat Matthias von Hermanni eine Liste mit 16 Punkten, die er gestern der Öffentlichkeit präsentierte. Der ehemalige Chef des Leipziger Betriebs für Beschäftigungsförderung (bfb) greift darin massiv die Staatsanwaltschaft und "deren Hintermänner" an. Die Rede ist von Unterschlagung entlastender Fakten, verschwundenen Akten und Irreführung des Gerichts. Hermanni, der vor zweieinhalb Jahren verhaftet wurde und auf Kaution wieder frei kam, will nach Aufhebung des Haftbefehls gegen ihn (wir berichteten) das "System" enttarnen. "Ich will den Kopf des Staatsanwalts." Das Verfahren gegen ihn sei "politisch gewollt".

Seine Anwälte Andreas Meschkat und Klaus Schurig vermuten eine Einflussnahme aus Dresden. "Ein erfolgreicher bfb passt nicht in die Wirtschafts-Landschaft Sachsens." Genauer will die Verteidigung des 48-Jährigen derzeit nicht werden. Sie stelle sich auf einen langen Prozess ein, "der noch Monate, ja Jahre gehen kann".

Als äußerst unsachlich wertet Oberstaatsanwalt Norbert Röger die Vorwürfe. Sie entbehrten jeder Grundlage. "Es gibt keine Hintermänner", sagt er gegenüber unserer Zeitung. Die Staatsanwaltschaft sei Hinweisen nachgegangen, habe ermittelt und Hermanni für hinreichend verdächtig befunden. "Deshalb kam es, ja musste es zur Anklage kommen. Und dies hat das Gericht genau so gesehen, sonst hätte es die Anklage nicht zulassen dürfen."

Die Wirtschaftsstrafkammer werde "die Kraft und auch die Souveränität haben, zu einem richtigen und gerechten Urteil zu gelangen". Daran, dass dies nur ein Schuldspruch sein könne, lässt Röger keinen Zweifel. Hermanni wird beschuldigt, gemeinsam mit einem früheren Geschäftspartner beim Mietkauf von Baumaschinen gemauschelt zu haben. Der entstandene Schaden soll sich auf eine Million Euro belaufen.

Röger wertet es auch nicht als Schlappe, dass der Befangenheitsantrag gegen das Gericht abgeschmettert wurde. "In den seltensten Fällen hat so etwas Erfolg." Auch er geht davon aus, dass der Prozess noch lange dauern wird. Bislang sei nur der erste Teil einer Fülle von Anklagepunkten erörtert worden. Die Staatsanwaltschaft hat am vorletzten Verhandlungstag allein 62 neue Beweisanträge eingereicht. Und die beziehen sich auf den ersten Anklageteil.

Hermanni bezeichnet dies als Verschleppung des Verfahrens. Aber er werde dies überstehen und den Gerichtssaal als freier Mann verlassen. "Ich habe Freunde und eine Familie, die hinter mir stehen."

Andreas Dunte