Leipziger Volkszeitung vom 19. Dezember 2001





Peinliche Fragen an den Chef-Ermittler

Fall Hermanni

Leipzig. Halbzeit im Verfahren gegen Matthias von Hermanni. Und der Ton im Gerichtssaal am Leipziger Landgericht wird immer schärfer, die Vorwürfe des ehemaligen Chefs des Leipziger Betriebes für Beschäftigungsförderung (bfb) und der Mitangeklagten gegen die Ermittler immer lauter.

Im Zeugenstand hat gestern der ermittelnde Kriminalhauptkommissar des Landeskriminalamtes Sachsen (LKA) Platz genommen und muss sich peinliche Fragen gefallen lassen. Etwa: "Stimmt es, dass bei den Ermittlungen entlastende Aussagen von Zeugen und Beschuldigten nicht protokolliert worden sind? Warum wurden Aussagen, auf denen sich später die Anklage aufbaute, überhaupt nicht hinterfragt? Warum wurden Schreiben von Beschuldigten nicht zur Kenntnis genommen, die der Aufklärung des Falles dienen?

"Erstaunlicher Weise leidet der Beamte unter einen erheblichen Erinnerungsverlust, der dem Berufsstand nicht zur Ehre gereicht.

Regelrecht im Zugzwang ist mittlerweile die Staatsanwaltschaft, die Hermanni und dem Mitangeklagten hannoverschen Unternehmer Jürgen Sobiak der Untreue und des Betrugs überführen will. Alle bislang vernommen Zeugen bestätigen:Es gibt keinen Schaden, niemand ist getäuscht worden. Schlimmer noch:Wie ein mitangeklagte bfb-Mitarabeiter aussagt, seien aufklärende Hinweise zum praktizierten Rechnungssystem nicht zur Kenntnis genommen worden.

Erneut drängt Hermanni-Verteidiger Andreas Meschkat auf Aufhebung des Haftbefehls. Da das Gericht bereits zwei vorangegangene Anträge abgelehnt hat, wird Meschkat deutlicher und erinnert den Richter an seine prozessuale Fürsorgepflicht.

Hermanni gibt einen Vorgeschmack auf weitere Verhandlungstage im kommenden Jahr. Er wirft dem LKA-Kommissar vor, die Verdunklungsgefahr initiiert zu haben. So habe es 1999 eine Hausdurchsuchung gegeben, bei der Akten beschlagnahmt worden. Akten, so Hermanni, die den Ermittlern zwei Tage zuvor zur Mitnahme angeboten worden seien. Der Widerspruch des Kommissars fällt kläglich aus. Am 29. Januar 2002 wird er erneut vernommen.

Andreas Dunte