Leipziger Volkszeitung vom 17. Dezember 1999


bfb-Mitarbeiter sammeln für Hermanni - auch Ex-OBM Lehmann-Grube spendet
Lehmann-Grube gibt "angemessenen Betrag" für Kaution bfb-Mitarbeiter sammeln für Hermannis Freilassung / Stellvertreter Balz denkt über eigene Ermittlungen durch Wirtschaftsprüfer nach

Leipzig (Eig. Bericht/ade/mi).

"Ein halbes Jahr bin ich erst dabei, aber ich werde mich für die Freilassung von Matthias von Hermanni einsetzen und Geld geben." Dieter Stielke, einst beim Elektronik-Kombinat Robotron beschäftigt, hat nach langer Arbeitslosigkeit beim Leipziger Betrieb für Beschäftigungsförderung (bfb) eine ABM-Stelle bekommen. "Ohne Hermanni wäre der Betrieb nicht so groß und hätte nicht so viele nützliche Arbeiten auszuführen, die weit übers Straße kehren und Pflegen von Grünflächen hinausreichen." Das sehen auch andere bfb-Mitarbeiter so, die gestern Geld gaben, damit die Kaution - 800.000 DM - für den in Untersuchungshaft sitzenden Hermanni zusammen kommt.

"Eine Kollegin bummelt ihre Überstunden ab und nimmt die Gelder entgegen", sagte Personalratschef Frank Lippmann. Solidarisch würden sich auch ehemalige bfb-Beschäftigte und Außenstehende zeigen. Prominentester Geldgeber ist bislang Leipzigs Ex-Oberbürgermeister Hinrich Lehmann-Grube. "Mein Mann ist von der Unschuld des bfb-Chefs überzeugt und gibt deshalb einen angemessenen Beitrag", sagte Ehefrau Ursula unserer Zeitung. "Ich würde etwas dazu geben, aber das Finanzamt erlaubt mir dies nicht", sagte bfb-Mitarbeiter Oliver P. Eine weitere bfb-Beschäftigte, die ebenfalls ihren Namen nicht nennen wollte, gab zu: "Ich habe Kinder und bekomme wenig Lohn, ich habe es einfach nicht so dicke." Ablehnung gegenüber der Aktion kam von anderen Mitarbeitern des städtischen Betriebes, die sich mit Verweis auf das für 1,2 Millionen DM gebaute Privatanwesen Hermannis zurückhalten.

"Die Sammelaktion läuft auf privater Ebene, betrieblich ist da nichts angeordnet", bemerkte Hermannis Stellvertreter Andreas Balz. Er selbst zweifle nicht an der Unschuld seines Chefs, den er aus seiner Zeit in Hannover seit 1988 "sehr gut" kenne. Deshalb werde er sich an der Aktion beteiligen. "Wir diskutieren derzeit in der Leitung des bfb, ob wir nicht die Vorwürfe gegen Hermanni und den bfb selbst von Wirtschaftsprüfern untersuchen lassen", sagte Balz. Kopien von wesentlichen Teilen der Unterlagen seien im Betrieb. Balz sieht hinter den Vorwürfen gegen Hermanni einen Racheakt dessen ehemaligen Geschäftspartners Jürgen Sobiak aus Hannover. Hinter den Ermittlungen vermutet Balz "keine Anzeichen für eine Verschwörung gegen den bfb".

Da weicht seine Meinung von der Hermannis ab. Der geht von der Absicht einer Zerschlagung aus. Der bfb-Chef darf im Übrigen in der Untersuchungshaft keine Fotos seiner Familie haben. Offenbar solle Hermanni auf diese Weise "weich gekocht" werden, so die Spekulation. Wie der Leitende Oberstaatsanwalt Gunter Spitz gestern gegenüber unserer Zeitung sagte, laufen die Ermittlungen "mit Hochdruck" weiter. Er bestätigte, daß Sobiak verhört wurde (wir berichteten). Dabei seien "wertvolle Erkenntnisse" gewonnen worden. Der Abschluß der Untersuchungen stehe noch nicht fest.

Die im Falle einer Verurteilung drohende "empfindliche Freiheitsstrafe" (Oberlandesgericht Dresden) bedeutet nach Angaben von Rechtsexperten, daß mehr als zwei Jahre verhängt werden könnten. Derartige Strafen würden nicht zur Bewährung ausgesetzt. Bei Haftstrafen von mindestens einem Jahr und unter der Voraussetzung, dass es sich um eine vorsätzliche Straftat handelt, endet automatisch das Beamtenverhältnis.