Leipziger Volkszeitung vom 21. November 2001





Ehemaliger bfb-Chef beantragt Aufhebung des Haftbefehls


Leipzig. Im Prozess gegen den Ex-Chef des Leipziger Betriebes für Beschäftigungsförderung (bfb) steht offensichtlich eine Wende bevor. Die Verteidigung von Matthias von Hermanni hat jetzt Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls gestellt. Hermanni war vor mehr als zwei Jahren wegen Flucht- beziehungsweise Verdunklungsgefahr verhaftet worden und kam nach Hinterlegung einer Kaution wieder auf freien Fuß.

Gründe für eine Fluchtgefahr hätten nie vorgelegen, so Anwalt Andreas Meschkat am vergangenen Prozesstag. Da Hermanni auch nie auf Zeugen oder Mitangeklagte eingewirkt habe, entfalle der zweite Haftgrund, sprich die Gefahr der Verdunkelung. Dass sich der Angeklagte selbst bemüht habe, den von der Staatsanwaltschaft falsch ermittelten Sachverhalt aufzuklären, sei mehr als zulässig.

Vom Vorliegen eines dringenden Tatverdachts könne ebenfalls keine Rede mehr sein. Nach den bisherigen Aussagen wichtiger Zeugen verstärken sich immer mehr die Zweifel, dass die Unternehmen, die mit dem damaligen ABM-Stützpunkt, dem späteren bfb, zusammengearbeitet hatten, überhaupt geschädigt worden sind. Der jetzt vernommene Geschäftsführer der Wisser-Ernst-Projektentwicklungs GmbH (WEP) sagte sogar aus, dass die Zusammenarbeit mit dem ABM-Betrieb zu einer Kostenersparnis in Millionenhöhe geführt habe.

Die Staatsanwaltschaft wirft Hermanni in insgesamt 34 Fällen Untreue, Betrug und Bestechlichkeit vor. Ein Schaden von 1,9 Millionen DM soll entstanden sein.

Hermanni selbst griff die Staatsanwaltschaft erneut scharf an: Bei den Ermittlungen seien entlastende Zeugenaussagen unterschlagen worden. Die Anklage stütze sich auf gefälschtes Beweismaterial. Das alles lasse nur den Schluss zu, im politischen Auftrag zu handeln, sagte Hermanni. "Der bfb sollte zerstört werden."

Die Staatsanwaltschaft wies die Vorwürfe vehement zurück. Bevor nicht weitere Zeugen vernommen seien, solle auch der Haftbefehl weiter bestehen bleiben. Das Gericht entscheidet am kommenden Dienstag.

Andreas Dunte