Leipziger Volkszeitung vom 02. Oktober 2001


Spannender Prozess gegen Ex-Chef des bfb erwartet
Hermanni sieht Verhandlungen gelassen entgegen

Leipzig. "Ich werde obsiegen und wie Phoenix aus der Asche aufsteigen." Matthias von Hermanni, einst Chef des mitarbeiterstärksten Betriebes in Sachsen, sieht dem Prozess gegen ihn, der am Donnerstag beginnt, mit der überlegenen Gelassenheit entgegen, mit der er sich in früheren Zeiten nicht nur Freunde gemacht hat. "Ja, ich sehne den Prozess sogar herbei, damit der Spuk endlich ein Ende hat", fügt der ehemalige Chef des Leipziger Betriebes für Beschäftigungsförderung (bfb) aber zugleich mit gesenkter Stimme an. Die knapp zwei Jahre Ermittlungszeit haben ihre Spuren hinterlassen. Nach seiner Verhaftung im November 1999 war Hermanni auf Kaution in Höhe von 250 000 DM zumeist von Mitarbeitern gesammeltes Geld unter Auflagen freigelassen worden.

Hermanni soll mit seinem ehemaligen Geschäftskollegen Jürgen Sobiak aus Hannover gemeinsame Sache bei der Vermietung von Baumaschinen gemacht haben. Der durch Betrug und Untreue entstandene Schaden belaufe sich auf 1,4 Millionen DM, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Insgesamt sind 23 Verhandlungstage anberaumt, erklärt ein Sprecher des Landgerichts Leipzig. Auf der Anklagebank sitzen drei weitere damalige Beschäftigte des bfb, die Hermanni bei den vermeintlichen Mauscheleien unterstützt haben sollen, sowie Sobiak.

Der Prozess dürfte spannend werden. Während die Staatsanwaltschaft bislang keine näheren Aussagen zum Fall gemacht hat, geht Hermanni davon aus, dass sich die Anklage weitestgehend auf die Aussagen Sobiaks stützt. Und der würde lügen wie gedruckt, "um sich aus der Schlinge der Steuerfahnder zu ziehen".

Immer wieder hatte der Ex-bfb-Chef in der Vergangenheit versucht, die Glaubwürdigkeit Sobiaks in Abrede zu stellen, fand aber bei der Staatsanwaltschaft kein Gehör. Sobiak habe zum damaligen Zeitpunkt in erheblichen Schwierigkeiten mit dem Finanzamt gesteckt. Die Unterlagen, so Hermanni, auf deren Grundlage die Staatsanwaltschaft gegen ihn vorgehe, seien von Sobiak gefälscht und hätten nur zur Rechtfertigung von Steuertricks gedient. Die Staatsanwaltschaft bei ihr ist ein Hrmanni angeblich entlastender Ordner abhanden gekommen kommentierte dies in der Vergangenheit stets mit den Worten: "Alles Quatsch." Die Beweise seien eindeutig.

Mit Demos und Aufmärschen der bfb-Mannschaft wie einst aus Protest gegen die Verhaftung Hermannis, die den Verkehr in Leipzigs Innenstadt lahm gelegt hatten, ist nicht zu rechnen. Auch Protestkundgebungen, bei denen Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (SPD) den Erhalt des Beschäftigungsbetriebes zusichern musste, um die aufgebrachten "Gummistiefelbrigaden"Êzu beruhigen, sind nicht zu erwarten. Binnen zweier Jahre hat sich auch die Welt beim bfb, dem einstigen ABM-Vorzeigeunternehmen in Deutschland geändert. Der Betrieb, der wegen seiner Größe (im Wahljahr 1998 über 8000 Mitarbeiter) vor allem beim Handwerk stark in der Kritik stand, erregt zwar noch immer die Gemüter und die Politik in Leipzig. Jetzt allerdings aus Sorge, er könnte bald bis zur Unkenntlichkeit geschrumpft sein, während die Arbeitslosigkeit in der Messestadt mit über 17 Prozent weiter auf hohem Niveau verharrt. Zur Zeit schwanken die Angaben zur Betriebsgrößte zwischen 3500 und 4200 Beschäftigte.

Die Finanznöte, die die Stadt zur Zahlung eines Rettungs-Darlehens in Höhe von 15 Millionen DM veranlasst haben, sind zum Teil hausgemacht. So klagten sich viele der ungerechtfertigt gekündigten Mitarbeiter wieder ins Unternehmen ein. Zum Teil laufen die kostspieligen Arbeitsprozesse noch.

Andreas Dunte